Das bewegende Projekt „Rikscha Luise“ gewinnt an Fahrt!

Alles ins Rollen brachte die dänische Initiative „cycling without age“. Dieser ist es zu verdanken, dass wir vom Quartiersnetzwerk martini.erleben den zentralen Gedanken, mobil eingeschränkten Menschen im Alter wieder zu Mobilität und somit zu mehr Lebensqualität zu verhelfen, auch in Eppendorf praktisch umsetzen wollten.

Dazu starteten wir einen lokalen Spendenaufruf. Nach und nach konnten wir verschiedene Pflege- und Senioreneinrichtungen in Eppendorf, die Aktion Mensch das Bezirksamt Hamburg-Nord und weitere Spender an Bord holen, um eine elektrische Rikscha zu kaufen.

Die offizielle Taufe, Corona bedingt verschoben, fand am 2. Juli 2021 vor dem Carl-Ninck-Haus auf der Anscharhöhe statt. Die Rikscha erhielt nicht nur den Namen „Luise“, sondern auch den Segen von Pastor Veit Buttler und Pastor Uwe Onnen. Seitdem sorgt der Heilige Christophorus, in Form einer kleinen Plakette, bei jeder Fahrt für gute Fahrt.

Doch allein die geballte elektrische Power der Rikscha „Luise“ nutzt nichts ohne ehrenamtliche Fahrer*innen, die diese in Bewegung setzen. Wir suchten und fanden geeignete „Pilotinnen“ und „Piloten“, die mehrmals pro Monat ehrenamtlich mobil eingeschränkte Bewohner*innen der Einrichtungen auf aussichtsreiche Touren mitnehmen – zur Außenalster, zum Rathausmarkt, zur Elbe, ins Eppendorfer Moor, zur ehemaligen Arbeitsstätte oder zum ehemaligen Wohnort. Auch eine Begegnung inklusive Fotoschooting mit einem stadtbekannten Hamburger war schon dabei. Jede Ausfahrt ist anders.

Doch eins haben alle gemein: sie zaubern ein Lächeln auf die Gesichter der Fahrgäste.

 

Zwischenstopp & Verbesserungspotenzial

Nach knapp vier Monaten der Ausfahrten war es Zeit für eine Bestandsaufnahme. Wie machte sich die Rikscha in der Praxis über längere Zeit? Wir trafen uns mit allen Fahrer*innen, die uns von ihren Erfahrungen erzählten und uns die direkten Rückmeldungen der Fahrgäste gaben. Siehe da, es gab bei einigen Punkten Verbesserungsbedarf! Der Hauptkritikpunkt: die Bequemlichkeit. Der Fahrgastsitz der Rikscha war zwar für zwei Personen ausgelegt, jedoch zeigte sich im täglichen Gebrauch, dass es doch zu eng für zwei Personen ist. Was bei Ehepaaren oder Familienmitgliedern kein Problem war, war bei zwei sich unbekannten Personen schon eins. Außerdem nahmen die Fahrten mit zwei Personen zu, geschuldet der Tatsache, dass bei dementiell erkrankten Menschen immer eine betreuende Person mitfahren muss. Auch war das dieses Model nicht gefedert, was sich bei längerer Fahrt auf Hamburgs Schlaglochradwegen doch etwas unangenehm bemerkbar machte. Selbstverständlich hatten wir zusätzliche Decken an Bord. Aber das federte nicht alles ab, auch wenn die Pilot*innen ihre Fahrweise an die Fahrgäste anpassten. Ebenso empfand eine Mehrzahl der Fahrgäste den 3-Punkt Schultergurt als nicht sehr angenehm, da diese über beide Schultern und unten durch die Beine geführt wurde. Zum Abschluss sei noch die Fußhalterung erwähnt, die durch den Piloten oder die Pilotin beidarmig etwas umständlich durch ein Stecksystem in kniender Haltung heruntergelassen werden musste. Der Hauptpunkt „Bequemlichkeit“, neben einigen anderen Faktoren, veranlasste uns zu einem Modelwechsel, um den Anforderungen von Fahrgästen und auch Piloten*innen besser gerecht zu werden.

Der Wechsel erfolgte im September 2021. Zu einem gefederten Model, mit einer breiteren Fahrgastsitzfläche, so dass jetzt zwei Personen bequem nebeneinandersitzen können. Und für jeden Fahrgast gibt es jetzt einen einfach zu bedienenden Bauchgurt. Auch das Herablassen und Hochheben der Fußhalterung funktioniert jetzt bequem per Fußraste durch die Piloten*innen.

„Ein Sofa auf Rädern“, wie einer der ersten Fahrgäste bereits scherzte.

Und die Pilot*innen sind gleichermaßen von der neuen Rikscha begeistert.

Die Bewohner*innen dieser Einrichtungen bzw. Gemeindemitglieder gehen regelmäßig auf große Fahrt:

Pressemeldungen & Beiträge zu unserem Rikscha-Projekt:

Müll loswerden geht, rüberkommen nicht.

martini.erleben fordert akustische Signalanlagen für blinde Menschen und Menschen mit einer Sehbehinderung.

Barrierefreiheit ist in aller Munde, es gibt dazu Gesetze und Verordnungen. Wenn es aber konkret wird, muss man dicke Bretter bohren. Das erfährt gerade martini.erleben. Das Quartiersnetzwerk rund um die Martinistraße hatte schon im letzten Jahr beantragt, alle Ampel an Eppendorfers größter Kreuzung (Breitenfelderstraße/Lehnhartzstraße) mit „akustische Querungshilfen“ auszustatten. Das Optische Rot/Gelb/Grün alleine reicht nicht aus. Von zehn Ampeln haben vier schon ein Tonsignal, aber gerade der am stärksten genutzte Überweg hat das nicht. Wir haben der Bezirksversammlung dazu einen Brief geschrieben und der Regionalausschuss Eppendorfer/Winterhude hatte im letzten Oktober beschlossen, hier Abhilfe zu schaffen. Bei der zuständigen Fachbehörde ist das leider nicht angekommen, denn die hüllt sich seit Monaten in Schweigen. martini.erleben macht deshalb jetzt öffentlich Druck. Schreiben Sie uns, wenn auch Sie Probleme mit Fußgängerampeln haben.

Siehe auch Blog-Beitrag: https://martinierleben.de/akustische-querungshilfen-fuer-blinde-und-sehbehinderte-sind-noetig/

 

Gute Fahrt auf allen Wegen – Rikscha Luise dankt für den Segen

Es ist Freitag, der 02.07.2021. 12:39 Uhr. Dicke, fette Regentropfen klatschen vereinzelt auf meine Jackenärmel, als ich zur geplanten Rikscha-Taufe radle. „Himmel und Herrgott“, grummle ich, denn Corona bedingt wurde die Taufe der Rikscha Luise fast ein halbes Jahr verzögert. Doch als ich wenige Minuten später vor dem Carl-Ninck-Haus in der Anscharhöhe eintrudele, lacht Klara frech vor blauem Hintergrund. „Himmlisch!“, denke ich zufrieden, geht doch!

Zwischen dem fernöstlichen Gong und dem maltesischen Summlöcherstein finden sich an den Stehtischen um den kleinen Taufbrunnen nach und nach die geladenen Taufgäste ein: die Vertreter*innen der Sponsoren (Bethanien-Höfe, Stiftung Anscharhöhe, ELIM Seniorenzentrum, Zinnendorf Stiftung, Hamburgische Brücke und die St. Martinus Gemeinde und Bethanien-Kirche), die ehrenamtlichen Rikscha-Pilot*innen und die Organisatoren des bewegenden Projektes. Die dreirädrige Rikscha Luise glänzt unterdessen still vor sich hin. Sie kommt gerade von ihrer ersten Inspektion. Hat schließlich schon 80 Fahrten und fast 750 km hinter sich. Mein Rikscha-Piloten-Kollege Markus hat sie pfützenspritzerfrei von ihrem Heimathafen, der Remise der Hamburgischen Brücke, hierher gesteuert. Er wird im Anschluss an die Taufe eine videobegleitete Jubiläumsausfahrt mit einem Fahrgast aus dem Carl-Ninck-Haus machen.

Kurz nach 13 Uhr begrüßt Elisabeth Kammer herzlich alle Gäste und hält zum letzten Mal ihre erste selbstgeschriebene Rede, laut Selbstaussage. Ihre Stimme duelliert sich anfänglich mit Flugzeuglärm von Oben und dem lauten Gezwitscher eines Stares in der Nähe. Doch langfristig gewinnt sie. In ihre Rede eingebettet beschreibt meine Rikscha-Piloten-Kollegin Edith, die mit Abstand bisher die meisten Fahrten unternommen hat, welche positiven Auswirkungen die Rikscha-Fahrten auf die Passagiere, auf die Passanten und auf die Rikscha-Piloten selbst haben. Die erste selbstgeschriebene und zum letzten Mal gehaltene Rede von Elisabeth Kammer ist so gut gelungen, dass der zweite Redner, Klaus Kolb, der Ideengeber dieses Projektes, nichts mehr hinzuzufügen hat. Überraschend überreicht er ihr, der Projektverantwortlichen, zum Dankeschön einen Strauß Blumen. Es folgt der Tauf-Höhepunkt.


Beginnen darf Veit Buttler, Pfarrer der St. Martinus Gemeinde, der an der Rikscha stehend, seine Segnungsworte spricht. Er selbst ist engagierter Rikscha-Pilot und so etwas wie der technische Allround-Betreuer der Rikscha Luise. Er war es, der die Probefahrten mit uns zukünftigen Rikscha-Piloten damals durchführte. Mit vollem Körpereinsatz, wie er einmal erwähnte. Ein kommunikativer Kümmerer. Sein Segen im Wortlaut:

Wünsche für Luise

Bevor es wieder losgeht und nun auch offiziell,

noch ein paar gute Wünsche

und vor allem den Segen

für eine allseits gute Fahrt.

Wir wünschen Luise und denen die mitfahren:

Immer und überall festen Boden unter den Rädern,

helle und warme Sonnentage,

den Geschmack von Freiheit, die grenzenlos ist,

schmeichelnden Fahrtwind im Rücken

und durch die Haare.

Schöne Wege und Routen

durch das Viertel und die umgebende Natur,

zwitschernde Vögel und summende Bienen

am Wegesrand.

Wenn es mal spät wird, dass Leuchten der Sterne

und das Mondlicht vom Himmel herab.

Fahrerinnen und Fahrer mit Geschick und Augenmaß.

Beifahrerinnen und Beifahrer mit Freude und Spaß

am Ungewohnten und etwas Mut zum Abenteuer,

Volle Ladung – auch für die Batterie.

Ausreichend Luft in allen Rädern

Bremsen, die nie versagen,

Respektvolle Verkehrsteilnehmer,

Sicherheit auf den Straßen und im Gelände,

freundliche Menschen unterwegs und am Ziel,

Menschen, die aufgeschlossen und zugewandt sind.

Sicheren Schutz vor Unfall und Gefahr

und Gottes Segen, der mitfährt,

schneller als Luise selbst, immer und überall

und immer vorne weg.

Und sowieso alles Gute für Mensch und Gefährt.

Bleib standhaft auf deinen Rädern!

Als Zweiter segnet Uwe Onnen, Pastor der Bethanien-Kirche und Seelsorger in den Bethanien Höfen, die Rikscha Luise.

Er holt zusätzlich einen permanenten Rikscha-Mitfahrer an Bord – den heiligen Christophorus. Keine Angst, die Maximallast (150 kg) der Rikscha wird dadurch nicht überschritten, denn der Schutzpatron der Reisenden wird in Form einer kleinen Plakette an der Rikscha angebracht und soll für „Gute Fahrt“ sorgen. Wunderbar!

 

Zum Ende der Tauf-Zeremonie tauschen alle Anwesenden ihre bisherigen Erfahrungen zum Projekt aus und widmen sich dem kleinen und feinen Buffet von Carina del Bretto, die das kleine Café Coffee und More auf der Anscharhöhe führt. Und die Sozialstation Eppendorf sorgt vor und spendiert den Rikscha-Pilot*innen ein Körbchen mit süßer Bordverpflegung als Energieschübe für zukünftige Fahrten. Herzlichen Dank dafür!   Mein Rikscha-Piloten-Kollege Markus lädt schnell seinen eigenen Akku auf und schwingt sich dann auf die gesegnete Rikscha. Mit dem vorfreudigen Fahrgast, Peer Massa, aus dem Carl-Ninck-Haus vor sich sitzend und dem Videofilmer Martin Steimann auf dem Begleitrad hinter sich, radelt er davon. Gute Fahrt auf allen Wegen – Rikscha Luise dankt für den Segen!

Vom Taufzeugen Christian Altstaedt

 

Crowdfunding: Fahrradstation für Hamburg-Eppendorf

Den ganzen Juni über sammeln wir Spenden, um eine Fahrradreparatur- und Pumpstation vor dem Haus in der Martinistraße 44a aufzustellen. Sie soll Eppendorferinnen und Eppendorfer ermuntern, sich häufiger mal aufs Rad zu schwingen und das Auto stehen zu lassen. Die Fahrradsäule wird für die Öffentlichkeit zugänglich sein – jede und jeder soll hier in Zukunft platte Reifen aufpumpen und Reparaturen am Fahrrad vornehmen können. Wer das Projekt für mehr Nachhaltigkeit und Gemeinschaft unterstützen möchte, kann dies hier tun, jeder Euro hilft. Und dann: Ab in den Sattel und das Frühlingswetter genießen!

Ich werde Pilot. Nach 44 Jahren. Rikscha Luise macht es möglich.

Ein Erfahrungsbericht.

20.05.2021. Wolfgang Borchert würde heute seinen 100. Geburtstag feiern und ich werde heute ein Pilot. Ein Rikscha-Pilot. Einer von mehreren Ehrenamtlichen. Beim ambitionierten Projekt Radeln ohne Alter“, hier in der lokalen Version des Quartiersnetzwerkes martini erleben in Eppendorf. Die Rikscha „Luise“  und ich werden heute ein dynamisches Duo bilden, um einem älteren Menschen, der nicht mehr mobil ist, stellvertretend Mobilität zu verschaffen. Mit einem gemeinsamen Ausritt neue Ausblicke geben, die Lebendigkeit herauskitzeln und damit mehr Lebensqualität. So ist es gedacht. Dank den motivierten Piloten-Waden und zu einem größeren Teil dank des Akkus vom elektrischen Pferdchen, der Rikscha Luise.

Donnerstag. 8:03 Uhr. Unruhiger Blick auf die Wetter-App. Durchwachsen. Wolken und Sonne ringelreihen am Himmel. Der Regen möchte unbedingt mitmachen, darf aber noch nicht mitspielen. Hoffentlich bleibt es so! 9:12 Uhr, der Anruf von Frau Kammer, der Projektleiterin und Organisatorin bei martini.erleben, geht ein. Ja, es geht los! 10 Uhr Treffen. Ich bin gerüstet. Wetterfest gekleidet, den Leitfaden im Rucksack und voller Vorfreude schwinge ich mich auf mein Rad. Als ich beim Rikscha-Heimathafen ankomme, wiehert sie schon ungeduldig. Alles bereit? Check!  Frau Kammer gesellt sich dazu und wir starten zur Einrichtung, der ich als Fahrer fest zugeteilt wurde, damit eine gewisse Kontinuität und Verlässlichkeit gewährleistet ist. Meine zukünftigen Fahrgäste kommen aus dem Pflegeheim Agaplesion Bethanien-Höfe.

10:14 Uhr. Als wir ankommen, lacht Clärchen sonnig über uns. Rikscha Luise lacht. Und auch Jutta (88) lacht, als sie als mein erster Fahrgast in der Luise sitzt. Für sie überraschenderweise, denn mein geplanter Fahrgast musste leider absagen. Jutta „springt“ ein. Mit begleitender Betreuerin. Für die es auch die erste Fahrt in der Rikscha ins Unbekannte ist. Nach der offiziellen Vorstellung machen es sich meine zwei Fahrgäste vorne gemütlich. Und los geht’s! Mir fallen Zeilen aus Borcharts Reiterlied ein: „Voran! Mein Pferd. Voran! Stürmend durch die Zeit!“*

Unser Zugpferchen ist Elisabeth Kammer. Sie begleitet uns Piloten beim ersten Mal mit dem Fahrrad. Sie macht die Pace, wie man beim Pferderennsport sagt, sie fährt voraus. Ich bin noch etwas zögerlich mit dem Gas geben. Schließlich sollen die Frisuren meiner beiden Fahrgäste nicht zu sehr zerzausen. Einige Ampeln nutzen das sofort aus und trennen uns. Aber wir finden immer wieder zusammen, auf dem Weg zur Außenalster. Möglichst verkehrsarm und aussichtsreich. Später werden wir Pilot*innen uns untereinander vernetzen und die Erfahrungen zu schönen Routen teilen. Aktuell beschäftigt mich eher die Frage: Wie werden die anderen Verkehrsteilnehmer auf uns reagieren? Bisher sehr freundlich. Ein Autofahrer gibt mir sogar die Vorfahrt, obwohl ich auf der untergeordneten Straße bin. An dieser Stelle noch einmal vielen Dank dafür.

10:46 Uhr. Wir traben parallel zur Außenalster auf den Alsterwiesen entlang. Das Wechselspiel von Sonne Wolken wirft ein schönes Licht auf das Gewässer. Wir erspähen eine Gruppe von Vögeln und halten direkt an. Es sind junge Schwäne, erkennbar am weiß-grauen Federkleid, die sich für eine Mittagsruhe zusammengefunden haben. Einige Stockenten und 2 Blässhühnchen gründeln ufernah und zeigen uns ihr „Schwänzchen in die Höh!“.

Als wir stoppen, meine Begleiterinnen direkt in erste Reihe sitzend, schauen die langhalsigen Fleetenkavaliere genauso interessiert zu uns, wie wir zu ihnen. Einer kommt sogar neugierig nah an uns heran. Nur der flache Uferschutzzaun hält ihn ab, sich mit auf die Rikscha zu setzen. Jutta lacht und ist begeistert von den Vögeln. Im Hintergrund landet gerade noch ein Kormoran auf dem Wasser. Fast wie bestellt. Während wir den tierischen Ausblick genießen, werden wir wiederum von den Passanten gemustert. Immer wieder neugierige Blicke.

Meistens gehen sofort die Mundwinkel nach oben. Ich bekomme mit, wie die Frau eines joggenden Pärchens zu ihrem Partner sagt: „So möchte ich auch durch Hamburg chauffiert werden!“. Wer nicht? Wir genießen weiter den schönen Ausblick. Sprechen über die Rikscha und das Projekt. Von Westen nähern sich langsam, aber stetig, dunkle Wolken mit Brusthaar. Oh, oh, denke ich. Wir haben zwar einen Regenaufsatz und eine Schutzdecke, aber im Regen zu fahren, muss nicht sein. Zeit, um wieder kräftig in die Pedalen zu treten. Oder mit Borcherts Worten: „Voran! Mein Pferd! Voran!“*

Ich lenke um und steuere die Luise über die befestigten Wege zurück auf die Straße. Gemächlich galoppieren wir dahin. Auf dem Leinpfad, der parallel zur Alster (Leinpfadkanal) verläuft, fliegen die Gründerzeitvillen rechtsseitig an uns vorbei. Jutta hat mittlerweile ein zartrosafarbenes Tuch um den Kopf und erinnert an Grazia Patricia in einem Cabriolet auf der Fahrt durch Monaco. Vielleicht denken das auch die Radfahrer*innen, denen wir begegnen, denn sie begegnen uns mit einem Lächeln. Würde ich mir nicht ein Wettrennen mit den regenschwangeren Brusthaarwolken liefern, würde ich beim Café par ici anhalten und den Damen ein Stückchen französische Tarte spendieren. Mir natürlich auch. Aber so. Na dann beim nächsten Ausritt.

Als wir gegen 11:08 Uhr in den Bethanien-Höfen ankommen, warten die Diakonissen in Corona-konformer Schlange am mittlerweile aufgebauten Gemüsestand, um frische Lebensmittel zu ergattern.

Als sie uns sehen, machen sie gleich freundlich Platz, grüßen freudig und ich kann die Luise bequem zum Eingang steuern. Wie ich später erfahre, sind zwei von ihnen bereits mit der Rikscha Luise ausgeritten. Ja, die Rikscha bringt allen Freude. Jutta lacht, als ich ihr mit der Begleiterin aus der Rikscha helfe. Wir verabschieden uns. Bis zum nächsten Mal. Hast du gut gemacht, Luise, deine Portion Strom hast du dir verdient. Jetzt nur noch ein kurzer Ritt zurück zum Heimathafen und mein erster Piloteneinsatz geht zu Ende. Kurz nachdem Luise versorgt ist und ich wieder auf meinem Rad sitze, ist die dunkle Brusthaarwolke über Eppendorf und öffnet ihre Schleusen. Tja, zu spät, denke ich, zu spät! Mit Borchert im Kopf radle ich zufrieden nach Hause …

 

 

„Ich bin ein Reiter,
stürmend durch die Zeit!
Durch die Wolken führt mein Ritt –
Mein Pferd greift aus!
Voran! Voran!
Der Sturm jagt neben mir!
Voran! Mein Pferd! Voran!
Durch die Gefahren hin stürmen wir –
ich und du –
mein Pferd!
Voran!
Durch die Zeit!
Ich bin ein Reiter!“*

 

Mit fest im Sattel sitzenden Grüßen
Rikscha-Pilot Christian

*Borchert Zitate aus: „Das Reiterlied“

Jungfernfahrt mit Außenalsterausblick

„Radeln ohne Alter“ heißt das Projekt, das das Quartiersnetzwerk martini.erleben mit finanzieller Unterstützung der Aktion Mensch, vom Bezirk Hamburg-Nord und mit weiteren Spenden, u.a. der Stiftung Anscharhöhe ermöglicht. Mit einer nagelneuen Rikscha aus Kopenhagen fahren freiwillige Pilot*innen Menschen spazieren, die nicht (mehr) selbst Rad fahren können. Der erste Passagier auf der Anscharhöhe war Hedwig Saager, Bewohnerin des Carl-Ninck-Hauses, die mit Pilotin Edith sofort an die Alster wollte. Das Interesse an den Ausfahrten ist so groß, dass das Projekt bald eine zweite Rikscha gebrauchen könnte.

Sie finden das Projekt auch toll und möchten mit einer Geldspende den Kauf einer zweiten Rikscha unterstützen? Wir freuen uns über jeden Betrag!

Vereinskonto:
Eppendorfer Soziokultur e.V.

Verwendungszweck „Rikscha“
Hamburger Sparkasse (BIC HASPDEHHXXX)
IBAN DE79 2005 0550 1208 1104 27

 

 

Kommunikative Rikscha-Pilot*innen gesucht!

Wir suchen Radfahrer*innen (bei Radeln ohne Alter werden sie Piloten*innen genannt), die ab diesem Frühling während des Sommerhalbjahres Zeit und Lust haben, ab und zu mobilitätseingeschränkte Bewohner*innen aus Pflege- und Senioreneinrichtungen aus Eppendorf in der Rikscha zu fahren. Die Ausfahrten sind auf ca. 2h ausgelegt (kompletter Einsatz). Kleinkind oder Kleinhund sind als Begleiter ebenfalls willkommen (so viel Platz ist noch auf der Rikscha:-). Die Häufigkeit des Fahrens und die Zeiten werden individuell vereinbart. Die Pilot*innen sind Haftpflicht- und Unfallversichert.

Voraussetzungen:

  • Alter: mind. 18 Jahre
  • Kontaktfreudigkeit
  • Toleranz, Offenheit
  • Kommunikationsfähigkeit
  • Fit und sicher auf dem Rad

Wer Lust hat mit zum Pilot*innen-Team zu gehören, meldet sich bitte bei Elisabeth Kammer, Projektkoordinatorin: elisabeth.kammer@martinierleben.de

Hurra – Die Rikscha ist da!

Freude über Freude! Ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk mit drei Rädern! Unser Projekt „Radeln ohne Alter“ wird im nächsten Jahr garantiert Fahrt aufnehmen. Eine niegel-nagel-neue Rikscha ist aus Kopenhagen geliefert worden und der fahrradbegeisterte Pastor Veit Buttler (St. Martinus) durfte eine erste Probefahrt machen. Vorne im bequemen Sitz hat Elisabeth Kammer (martini.erleben) Platz genommen und die Fahrt wirklich genossen.

Mit finanzieller Unterstützung vom Bezirk Hamburg-Nord konnten wir die Rikscha kaufen und mithilfe von Spenden können wir auch die laufenden Kosten (Haft,- Unfall- und Diebstahlversicherung, Wartung, etc.) bezahlen. Einen herzlichen Dank an alle, die das möglich gemacht haben.

Nun freuen wir uns, wenn im Frühling die Ausfahrten für Bewohner*innen aus Pflege- und Senioreneinrichtungen beginnen. Dazu suchen wir viele begeisterte Radfahrer*innen, bei Radeln ohne Alter werden sie Piloten*innen genannt. Wer Lust hat mit zum Pilot*innen-Team zu gehören, meldet sich bitte bei Susanne Holert-Retzlaff, Projektkoordinatorin: info@martinierleben.de

Radeln ohne Alter

Foto: Hartwig-Hesse-Stiftung

Die Bewegung „Radeln ohne Alter“ entstand in Dänemark und hat sich mittlerweile über viele europäische Länder bis nach Nordamerika und nach Neuseeland verbreitet. Viele Freiwillige sorgen dafür, dass Menschen aus Senioren- und Pflegeeinrichtungen, auf einer Rikscha frische Luft und Gemeinschaft genießen und wieder aktiver Teil der Gesellschaft sein können. Neben dem gesundem Frischluftfaktor haben die Rikscha-Fahrten auch eine soziale Komponente. Eine Rikscha-Fahrt ist ein Erlebnis, bei dem Eindrücke der Fahrt ebenso geteilt werden wie Lebensgeschichten.

Beim Design des Fahrrads wurde insbesondere auf den Fahrkomfort, die Stabilität und die Sicherheit geachtet, um dem Piloten und seinen Passagieren ein optimales Fahrgefühl und -erlebnis bieten zu können. Die Website radelnohnealter.de bietet alle wichtigen Informationen.

In Eppendorf gibt es „Radeln ohne Alter“ noch nicht. Das wollen wir ändern und für unseren Stadtteil die erste Rikscha anschaffen. Im Stadtteil gibt es bereits eine gut funktionierende Zusammenarbeit von Alten- und Pflegeeinrichtungen und damit viele potenzielle Fahrgäste. Das Quartiersnetzwerk martini.erleben braucht also nur noch eine Rikscha mit elektrischem Motor und jede Menge freiwillige Pilot*innen, die mitmachenwollen.

Anwohner-Parken finden wir gut!

Unser Quartier ist reichlich vom Auto-Verkehr gebeutelt. Allein durch die kleine Frickestraße fahren täglich mehr als 3000 Fahrzeuge. Seit Monaten kommt noch der LKW-Verkehr durch die Großbaustelle auf dem UKE-Gelände dazu. Aber auch der ruhende Verkehr ist ein großes Problem. Da wird geparkt, egal wo und wie, auf Kosten der Fußgänger*innen. Und der eh schon zu schmale Fußgängerweg wird durch rücksichtsloses Parken noch weiter eingeengt, sodass Rollstuhlfahrende sich in große Gefahr begeben, weil sie immer wieder auf die Straße ausweichen müssen! Obwohl Tempo-30-Zone für die ganze Frickestraße gilt, wird dies von vielen Fahrzeuglenker*innen völlig ignoriert. Schlimmer noch, auf Teufel komm raus, werden Radfahrende überholt, egal ob Gegenverkehr oder nicht.

Deshalb begrüßt martini.erleben die Initiative der Bezirksversammlung Hamburg-Nord, sich für Anwohner-Parken in Eppendorf einzusetzen.
GRÜNE und SPD schreiben: “ Grundregel ist, dass es kein Gratisparken in den Parkzonen in Eppendorf mehr geben wird. Nur die Bewohner*innen von Eppendorf können dabei einen Bewohnerparkausweis für derzeit 25€ pro Jahr beantragen, statt wie alle anderen stundenweise für das Parken zu zahlen.“
Schauen wir mal, ob das sich auch durchsetzten lässt. Wenn die UKE-Besucher*innen wegfallen, die mit ihren Fahrzeuge durch das Viertel fahren, um hier kostenlos zu parken, statt in die UKE-Tiefgarage zu fahren, wäre das ein Segen für die Anwohner*innen.